Der schwedische Psychologe und Professor für Psychologie an der Florida State University Anders Ericsson erforscht seit 30 Jahren, was exzellente Menschen von guten und mittelmäßigen unterscheidet. Was er herausfand ist hoch interessant:

  1. Wenn Sie sich auf einem Gebiet deutlich verbessern wollen, können Sie das auch – lebenslang.
  2. Die herausragendsten Meister ihres Faches haben in ihrem Leben deutlich mehr Zeit mit konzentriertem Üben verbracht als ihre „lediglich guten“ Berufskollegen.
  3. Es gab keinen einzigen Fall von Genie ohne harte Arbeit. Nein, auch nicht Mozart oder Picasso.

Die Erkenntnis lautet also:

Wer Herausragendes leisten will, muss die Kern-Fähigkeit seiner Arbeit üben, üben, üben.

Welche Fähigkeit ist für Ihren Beruf von erfolgsentscheidender Bedeutung? 

Der antike Maler Apelles wusste das ganz genau. Er war der berühmteste Maler der Antike, und ihm allein war das Vorrecht eingeräumt, Alexander den Großen zu portraitieren. Seine Gemälde waren die Top-Highlights der antiken Reiseführer, wobei Highlight seine Malkunst ganz treffend beschreibt: Er soll ein Meister von Licht- und Schatten gewesen sein, seine Gemälde sollen nicht nur Körper, sondern auch die Seele der Portraitierten gezeigt haben.

Soll. Denn keines seiner Werke ist erhalten. Wir kennen nur die antiken schriftlichen Berichte – von Plinius dem Älteren, von Lukian, sogar von Petronius. Petronius haben wir bei Wein, Wasser und Butterbrezeln an der Uni übersetzt – mit Prof. Olshausen und einem harten Kern von Mitstudierenden, nachdem alle anderen das Unigebäude schon verlassen hatten. Was für ein Spaß! Echt.

Weder Plinius, Lukian oder Petronius waren Zeitgenossen von Apelles. Aber sie kannten noch seine Gemälde. Und einige Anekdoten, die man über ihn erzählte. So glauben wir gerne, dass Apelles den Anstifter einer Intrige entlarvte, indem er mit wenigen Kohlestrichen ein Portrait an der Wand skizzierte. Es zeigte – den Hofnarren. Apelles selbst aber hielt die natürliche Anmut seiner Kunst für seinen größten Vorzug – heute würden wir sagen: USP. Alleinstellungsmerkmal.

Es ist spannend zu lesen, welches Erfolgsrezept Apelles hatte.
Seine Devise lautete nicht:

„Kundenakquise: Wie lerne ich Alexander den Großen kennen?“

Und auch nicht:

„Netzwerken mit Lysippos und Pyrgoteles“.

Sondern:

„Kein Tag ohne Linie.“ – „Nulla dies sine linea.“

Kein Tag ohne Linie. Die Linie war seine Kernkompetenz, seine größte Stärke, die er immer weiter ausbaute. Jeden einzelnen Tag.

Das erinnert an die 10.000 Stunden-Regel, die populäre Auslegung der Forschungsergebnisse von Anders Ericsson durch Malcolm Gladwell.

„Der Schlüssel zur Steigerung jeglicher geistigen Leistungsfähigkeit besteht darin, mentale Strukturen zu entwickeln, die es einem ermöglichen, effektiv mit einer großen Menge an Informationen umzugehen.“ Anders Ericsson untersuchte Geiger, Schachspieler und weitere Berufe, deren Leistung messbar und vergleichbar ist. Viele unserer heutigen Berufe kamen allerdings nicht infrage – weil der direkte Wettbewerb fehlt, und damit die Vergleichbarkeit. Zu diesen Berufen gehören Manager, Unternehmensberater, Ingenieure oder Lehrer. Exzellent kann man auch in diesen Berufen werden. Man muss nur die Fähigkeiten finden, die durch bewusstes Lernen und regelmäßiges Feedback trainiert und verbessert werden kann.

Wie aber lernen wir bewusst? Was müssen wir tun, um unsere wichtigsten Fähigkeiten immer weiter zu verbessern?

Wir brauchen

  1. klare Ziele
  2. einen Plan zum Erreichen dieser Ziele und
  3. ein Feedback-System, um die eigenen Fortschritte zu überwachen. Ach ja, und nicht zu vergessen:
  4. Motivation.

Motivation ist vielleicht der wichtigste Aspekt für Expertise. Unsere Pläne und Methoden können noch so gut sein, sie bringen nichts, wenn wir nicht dranbleiben, wenn wir nicht tausende von Stunden damit verbringen besser zu werden.

Was motiviert Sie? Bei welchen Tätigkeiten haben Sie eine außergewöhnliche Ausdauer?

Für Apelles war es das Zeichnen der Linie! Was ist es für Sie?

Zum Weiterlesen:

  • K. Anders Ericsson, Robert Pool: TOP. Die neue Wissenschaft vom bewussten Lernen, München 2016 (engl. Originalausgabe: Peak, New York 2016).
  • Plinius der Ältere, Naturalis historia (Naturgeschichte), Buch 35. Reclam lat./dt., Übersetzung und Kommentar von Marion Giebel.