Nach Weihnachten herrscht in vielen Geschäften reges Treiben – aber nicht, weil viel gekauft wird, das war letzte Woche. Sondern weil einige der Geschenke wieder zurückgegeben werden. „Hab ich schon“ oder „dafür bin ich schon zu groß“ oder „passt nicht“.
Aus Sicht der Kund*innen ganz verständlich. Aus Sicht der Verkäufer*innen bedauerlich.
Doch als ich erfahren habe, dass die Felsgrottenmadonna von Leonardo da Vinci von seinen Auftraggebern reklamiert wurde, begann ich anders über das Thema Reklamationen zu denken.
Wie denkst du darüber? Wer hat deine Arbeit schon „reklamiert“? Und: Wie hast du das gemeistert?
Teil 2
Leonardo da Vincis Altarbild mit der Felsgrottenmadonna (heute im Louvre), war eine Auftragsarbeit. Und die Auftraggeber waren alles andere als zufrieden. Sie weigerten sich, das Gemälde anzunehmen und zu bezahlen.
Doch wer reklamierte einen Leonardo da Vinci? Und warum?
Eine Bruderschaft hatte das Altarbild für die Kirche San Francesco in Mailand in Auftrag gegeben. Es war die Bruderschaft der unbefleckten Empfängnis, und gerade aus diesem Grund war es wichtig, die Tugendhaftigkeit von Maria und die Bedeutung des Engels zu zeigen, so dass man diese vor dem Gemälde andächtig verinnerlichen kann.
Leonardos Komposition beeindruckt durch seine radikal innovative Umsetzung. Es zeigt Maria mit den Christuskind, dem kleinen Johannes und dem Engel, wie im Vertrag mit der Bruderschaft vereinbart. Und er malte sie so anschaulich, dass man das Gefühl hat, man sitze ihnen direkt gegenüber, als wären es Menschen wie du und ich.
Doch das ging der Bruderschaft zu weit: Wie soll man denn Maria und das Jesuskind erkennen, wenn sie keine Heiligenscheine haben? Und der Johannesknabe braucht doch den Stab als Attribut, und überhaupt: Was soll denn ein Engel ohne Flügel? Und der Finger des Engels zwischen Maria und ihrem Sohn würde ja auch nicht wirklich passen, den hätten sie gerne weg.
Uff. Das ist ärgerlich. Auch für Leonardo. Sein Gemälde war zu innovativ für die Auftraggeber.
Hast du das auch schon erlebt? Dass du eine gute und deiner Meinung nach ausgereifte Idee hattest, und sie wurde nicht angenommen und geschätzt?
Teil 3
Wie löste Leonardo da Vinci die Reklamation seiner Auftragsarbeit?
Er hat verhandelt. Er hat erklärt. Aber er hatte keinen Erfolg. Die Männer der Bruderschaft blieben bei ihrem Standpunkt – und zudem gab es wohl Unstimmigkeiten in Bezug auf die Bezahlung. Das hat er irgendwann akzeptiert. Musste er. Und hat eine andere Lösung gefunden. Er überließ es seinen beiden Kollegen, den Brüder de Predis, das Gemälde mit all den geforderten Änderungen neu zu malen. Einige Jahre später war es dann soweit und das Gemälde wurde übergeben und bezahlt. Dass die zweite Fassung nicht mehr von Leonardo ausgeführt wurde, sehen wir an den Pflanzen. Leonardo hatte in der ersten Fassung alle Pflanzen mit ihrer jeweiligen übertragenen Bedeutung botanisch korrekt wiedergegeben. Leonardo, der große Beobachter. Fehler wie die falsche Anzahl an Blütenblättern wären ihm nicht passiert.
Aber was passierte mit der ersten hochinnovativen Fassung des Gemäldes? Die verkaufte Leonardo erfolgreich weiter.
Wie gut, dass es beide Versionen von Leonardo da Vincis Felsgrottenmadonna gibt! Sie sind für mich bedeutende Quellen für sein unternehmerisches Handeln. Die erste Version befindet sich im Louvre in Paris und die zweite Madonna on the rocks in der National Gallery in London. Und ganz selten beide in einer Ausstellung im gleichen Raum. So wie im Januar 2012, als ich sie beide in der Ausstellung in London sehen durfte und aufgeregt wie ein kleines Kind von einer zur anderen gelaufen bin.
Was können wir von Leonardo da Vinci lernen?
Mir fallen spontan drei Fragen ein:
- Was können wir die Situation so lösen, dass sowohl unsere Kund*innen als auch wir selbst und andere Beteiligte zufrieden sind?
- Wie können wir unsere Kund*innen bei unseren Ideen und Innovationen frühzeitig mitnehmen?
- Wie schaffen wir es, dass wir uns von Kritik nicht entmutigen lassen sondern cokreativ nach Lösungen suchen?
Welche Fragen fallen dir ein?