Viele unserer Ideen können wir direkt umsetzen: zu Hause, in der Freizeit oder innerhalb unserer beruflichen Kompetenzen.
Aber es gibt Ideen, die übersteigen unseren Entscheidungsspielraum. Oft bleiben Ideen dann einfach nur Ideen. Manchmal reicht uns das aus, und wir können uns darüber erfreuen, dass wir mit einem guten Einfall ein Problem hätten lösen können.

Was aber, wenn unsere Idee nicht nur eine Idee bleiben, sondern Realität werden soll?

Dann gibt es nur einen Weg: Wir müssen andere von unserer Idee überzeugen. Wir müssen unsere Idee verkaufen, andere dafür begeistern und zum Mitmachen bewegen.

Solch eine Idee, für die man viele Mitstreiter braucht, ist ein friedliches demokratisches Russland. Doch wie verbindet man Menschen im Exil und Menschen in Russland, die von einer anderen Zukunft träumen? Einer von ihnen schlug aus dem Exil in Paris über Twitter vor, ein Symbol für ihre Idee des demokratischen Russlands der Zukunft zu schaffen. Dieser Vorschlag traf auf große Resonanz. Sie einigten sich auf eine quer gestreifte weiß-blau-weiße Flagge.

Eine Flagge ist ein geeignetes Mittel, um Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft zu versinnbildlichen: die Zugehörigkeit zu einem Land, zum Lieblings-Fußballverein, oder zu einer Bewegung. Das einfache Bild einer Flagge, das oft nur aus zwei oder drei Farben und wenigen Grundformen besteht, beinhaltet ohne viele Worte alles Wesentliche dieser Gemeinschaft: die zugrundeliegenden Werte, gemeinsame Erfahrungen, Leidenschaft und eine oft faszinierende Vorstellung von der Zukunft.
Solch ein visuelles Symbol ist eine große Vereinfachung in der Organisation größerer Gruppen: der einzelne erkennt auf einen Blick, wem er sich verbunden fühlen kann, sei es im Fußballstadion, auf einer Kundgebung oder im Krieg.

Ein Symbol wie eine Flagge kann aber noch eine ganz andere Bedeutung erfahren: indem es an eine historische Situation anknüpft.

Die Flagge mit den Farben weiß-blau-weiß erinnert an die Flagge der russischen Stadt Weliki Nowgorod. Diese nordrussische Stadt entwickelte sich im Mittelalter zu einer blühenden Städterepublik mit eigener Volksversammlung, die mit weiten Teilen Europas Handel betrieb. Moskau stand zu dieser Zeit unter der Herrschaft der Mongolen.
Es gab also einen Raum und eine Zeit, in der in Russland Demokratie gelebt wurde. Daran knüpft diese neue Bewegung für ein demokratisches Russland der Zukunft an. Sie schaffen mit ihrer Flagge ihre eigene Narration, sie erzählen eine andere russische Geschichte als die aktuelle russische Flagge in den Farben weiß-blau-rot.

Wie verkaufe ich eine Idee?

Indem ich andere von ihr begeistere, wir ein Gefühl von Gewohnheit, Vertrautheit und Verbundenheit schaffen. Indem wir an Zeiten erinnern, die unserer Idee schon näher waren. Indem wir unsere Idee auf einfachste Weise visualisieren und es anderen erleichtern, sie zu verstehen.
Die weiß-blau-weiße Flagge ist solch ein Symbol und seine Geschichte im doppelten Sinn ist ihre unausgesprochene, aber sehr wirkmächtige Grundlage. Ich wünsche mir sehr, dass diese Idee eines friedlichen demokratischen Russlands Wirklichkeit wird.

Übrigens: Wäre diese Flagge ein Kunstwerk, würde ich sie in einer Ausstellung zwischen das Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch und Yves Kleins tiefblauen Werken hängen. Zwischen den in Kiew geborenen Kasimir Malewitsch, der mit dem Schwarzen Quadrat die reine Empfindung vorzieht und den Endpunkt der gegenständlichen Malerei heraufbeschwört, und den französischen Yves Klein, der den Himmel signierte und dessen Blau zum Inhalt seiner monochromen Kunstwerke macht. Das neue Russland zwischen Kiew und Paris.

Welche Idee wollen Sie unbedingt zur Realität werden lassen? Und wen wollen Sie als nächstes davon überzeugen?

Link zur Homepage: https://whitebluewhite.info/german