Die New York Times hielt Apple für das einzige Technologie-Unternehmen, das es wagt, sich mit Pablo Picasso zu vergleichen. Doch ich finde, das sollten wir alle tun. Denn Picasso hatte eine Fähigkeit perfektioniert, die auch uns enorm weiterhilft.
Doch um was geht es?
Picasso hatte die Felsmalereien in der Höhle von Lascaux gesehen, er war einer der ersten. Sie sind wundervoll. Also die Stiere und Pferde der super 3D-Rekonstruktion Lascaux IV, die ich staunend durchlief, als wäre ich die erste, als wäre ich diesem kleinen Hund gefolgt, der dort verschwunden war und zu dieser grandiosen Entdeckung geführt hatte. Picasso war ebenso fasziniert. Und er machte das Thema des Stiers zu seinem eigenen.
Er zeichnete einen Stier auf eine Steinplatte und ließ sie drucken. Wir kennen diese Lithographie, sie zeigt zahlreiche Details, vom Fell, den Hufen, dem Maul, ins Ohr. Licht und Schatten.
Picasso war wohl nicht ganz zufrieden. Denn er veränderte die Steinplatte. Nahm Linien raus. Betonte die Umrisse der Muskeln und weniger die Details im Fell. Doch auch das genügte ihm nicht. Er reduzierte weiter. Und noch weiter. Um es kurz zu machen: Innerhalb von sechs Wochen rund um den Jahreswechsel 1945/46 schuf Picasso ganze elf Stier-Drucke. Und jede weitere Version zeigte weniger Linie und – das ist das Verrückte: eher mehr „Stier“. Er ließ nach und nach alles weg, was für das Erkennen eines Stiers nicht notwendig war. Es war ein Herantasten, ein Annähern an das Wesentliche. Und er hörte erst auf, als keine weitere Reduktion mehr möglich war. Genauso wie bei Picassos Taube, die wenig später zum Symbol der ersten Weltfriedenskonferenz wurde.
Und was machte Apple?
Wenn ich die tastenreiche Fernbedienung unseres Fernsehers mit der kleinen von Apple TV vergleiche, dann liebe ich genau deren Klarheit. Ohne dass ich auf irgendwelche Funktionen verzichten müsste. Sie zeigt den Kern der Bedienfunktionen, während die meisten anderen deren Summe zeigt. Diesen Vergleich zwischen Picasso und Apple, der in der Apple University vermittelt wird, trifft vielleicht das Wesen dessen, was Apple ausmacht.
Diese Klarheit wünsche ich mir auch bei den Abläufen in unseren Unternehmen. Bei IT-Anwendungen. Bei Reklamationen. Bei der Buchhaltung. Beim Kundenservice. Bei der Verantwortung für ethische, soziale und ökologische Fragen.
Und ich? Sobald ich selbst diese Klarheit in meinem Kopf vermisse und das Gefühl bekomme, im Sumpf der Details zu versinken, dann wird es höchste Zeit für mich aufzuräumen. Dann mache ich es wie Picasso und frage mich:
Was ist wirklich nötig – und was kann ich weglassen?
Dann weiß ich wieder, auf was es ankommt. Picasso hilft mir, den Überblick zu behalten – im Außen und im Innen, im Studio und in meinem Kopf. Und auf einmal habe ich wieder Zeit, um endlich diesen Artikel zu schreiben, wo sich doch Picassos Todestag zum 50. mal jährt. Ein trauriger Anlass eigentlich.
Aber schon 2031 ist sein 150. Geburtstag. Bis dahin können wir ja noch üben, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren:
Um einen richtig guten Job zu machen.
Um weniger Plastik zu verbrauchen.
Oder um endlich das Projekt zu starten, das uns schon lange am Herzen liegt. Bei dem wir die Welt dort verbessern, wo wir es am besten können. Bei dem wir unsere Stärken einsetzen. Und das uns das Gefühl gibt, genauso einzigartig zu sein wie Pablo Picasso.
PS: Picassos Steindrucker meinte, es sei wie Zauberei. Mehr als 2-3 „Übermalungen“ wären auf einer Steinplatte nicht möglich. Dass Picasso die Platte 10 mal übermalte, zeigt seine Fertigkeiten. Wir können dort Außergewöhnliches leisten, wo wir unser Metier beherrschen.
Picassos Weg, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, bringt auch uns Klarheit: Lassen wir alles Unnötige weg und wir haben Zeit für das Wesentliche.
Was ist Ihr Wesentliches? Und was können Sie weglassen?