Kennen Sie das auch, wenn die To Do-Listen immer länger werden? Wenn meine Liste zu lang wird, merke ich, wie die Freude am Arbeiten verloren geht. Dabei ist die Freude und Begeisterung ganz wesentlich dafür, die eigene Arbeit gut zu präsentieren und zu verkaufen. 

Deshalb steuere ich immer schneller dagegen, und frage mich: Wie haben denn die Künstler ihr großes Arbeitspensum bewältigt? Welche Tipps könnten sie uns heute geben?

Künstler-Tipp #1: Schneller Arbeiten

Na super. Dieser Tipp kommt aber gleich von mehreren Künstlern: Tintoretto, Tiepolo, Delacroix und Monet sind sich einig: Schnelligkeit ist wesentlich für den Erfolg eines Künstlers. Das schnelle Arbeiten wurde Teil ihres Stils, bei jedem auf seine eigene unverwechselbare Weise. Von Giovanni Battista Tiepolo wird berichtet, er habe ein Gemälde schon vollendet, während ein anderer erst seine Farben vorbereitet hatte. Das ist ein klarer Wettbewerbsvorteil, und eine Voraussetzung, um das größte Deckengemälde der Welt zu erschaffen, größer als Michelangelos Sixtinische Kapelle: das Deckenfresko im Treppenhaus der Würzburger Residenz. 

Wo können wir noch schneller werden? Und schaffen wir es, eine eigene Technik zu entwickeln, die schnell und zugleich einzigartig ist?

Künstler-Tipp #2: Delegieren!

Wenn die To Do-Listen hingegen zu oft zu lang werden, dann hilft nur eines: Delegieren! Bei vielen Künstlern war dies die Grundlage ihrer umfangreichen Kunstproduktion: Von Peter Paul Rubens wissen wir, dass die Arbeitsorganisation in seiner Werkstatt sehr ausgeklügelt war: Es gab Mitarbeiter, die spezialisiert waren auf Landschaftshintergründe, andere auf Tiere, wieder andere auf Blumen. Rubens hatte sich ein Stärken-Team zusammengestellt, bei dem jeder die Aufgaben erfüllte, die zu seinen Fähigkeiten passten. Im Vertrag mit Maria de Medici über 24 großformatige Gemälde wurde deshalb exakt festgelegt, welche Partien Rubens eigenhändig malte. Die Gemälde waren für den Palais de Luxembourg bestimmt. Heute füllen sie im Louvre einen großen Saal (unbedingt ansehen, wenn Sie das nächste Mal in Paris sind!). Rubens vollendete diesen Auftrag mit seinen Mitarbeitern in nur zwei Jahren: von der Gesamtkonzeption der 24 Gemälde, Skizzen zur Komposition und schließlich das Malen selbst. Dies ging nur durch gut organisierte und gut kommunizierte Arbeitsteilung. Rubens‘ eigene Stärke war das diplomatische Verhandeln (er wurde auch tatsächlich als Diplomat beauftragt), die bewegten Kompositionen und das lebensechte Malen nackter Haut.

Welche Ihrer To Dos würden Sie am liebsten delegieren? Welche To Dos möchten Sie auf jeden Fall selbst übernehmen, weil sie Ihrem Können und Wollen entsprechen?

Künstler-Tipp #3: Delegieren ohne Budget

Delegieren ist ein guter Weg, die To Do-Listen dauerhaft zu verkürzen – vorausgesetzt da ist jemand, dem oder der man es delegieren kann. Oder man genügend Budget hat, um jemanden dafür zu beauftragen. 

Wenn aber beides nicht der Fall ist, was dann? 

In diesem Fall sind andere kreative Lösungen gefragt. Andy Warhol hatte da Ideen. Er betrieb seine Factory in den ersten Jahren mit vielen Freiwilligen, die für ihn arbeiteten. Aber warum arbeiteten sie ohne Gehalt? Ist das realistisch? Ja klar. Zum einen gibt es Menschen, die nicht oder nicht Vollzeit für Ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen. Zum anderen gibt es noch andere Bedürfnisse außer Geld, die erfüllt werden könnten. Haben Sie schon mal für andere gearbeitet, ohne dafür Geld zu bekommen?

Bei Andy Warhol arbeiteten Menschen, die von ihm lernten, Menschen, die eine gute Zeit erlebten, Menschen, die gute Parties feierten. Und die Parties waren legendär: Mick Jagger und Bob Dylon waren zu Gast, Jim Morrison und Salvador Dalí und viele andere. Die seriellen Siebdrucke, die unter Warhols Anweisungen in seiner Factory entstanden, signierte er und verkaufte sie. Andy Warhol verkaufte also gleich zweimal: den Menschen statt Lohn einen attraktiven Ort zum Arbeiten, zum Lernen, zum Feiern. Und seine Siebdrucke.

Was können Sie anbieten, damit Menschen freiwillig und gern ohne Bezahlung für Sie arbeiten?

  • Können sie bei Ihnen etwas Herausragendes lernen? Tragen sie mit ihrer Arbeit zu etwas Bedeutendem bei? 
  • Können Sie zu einem späteren Zeitpunkt mehr bezahlen, wenn die Erträge wachsen und sie dann daran beteiligen? 
  • Können Sie in anderen „Währungen“ zahlen? Kostenfrei wohnen? Essen? 
  • Können Sie Ihre Hilfe tauschen und im Gegenzug etwas übernehmen, das Ihnen leicht fällt und das Sie gern und schneller machen? 

Was können Sie anbieten?

Künstlertipp #4: To Do oder To Be?

Schnelleres Arbeiten und Delegieren kennen wir ja auch, im Effizienter werden sind wir ganz gut. Ich erkenne bei ganz vielen Künstlern aber noch eine ganz andere Ebene, mit den To Dos umzugehen: 
Es ist ihre Haltung. Und die bringt Pablo Picasso auf den Punkt:

„Ich staune über die menschliche Verwendung, die man dem Wort „Entwicklung“ angedeihen lässt. Ich entwickle mich nicht, ich bin.“

Picasso bezieht sich hier nicht speziell auf die zu bewältigenden Aufgaben, sondern auf die Entwicklung, die zuweilen viele To Dos erzeugt. Dennoch finde ich dieses „Ich bin“ grandios. Denn es ändert etwas in mir. Wenn ich zuvor einen riesigen Berg an Aufgaben vor mir sah, dann fliege ich jetzt darüber und erkenne leicht und schnell, auf was es ankommt, was wichtig ist und was dringend. Und was es eben nicht ist. 
Und ich beginne zu lächeln. Mit einem Mal bin ich der Mensch, der ich sein will, der bewusst und souverän über die eigene Lebenszeit entscheidet. Wenn ich bin, lebe ich meine beste Version.
Ein wunderbarer Zustand, den ich viel öfter herbeirufen will. Und der mich paradoxerweise produktiver macht. 

To Do oder To Be?